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Kulturvolk Magazin

Kulturvolk Blog Nr. 514

Kulturvolk Blog | Ralf Stabel

von Ralf Stabel

24. März 2025

Heute: 1. Staatsballett Berlin – “Ein Sommernachtstraum” / 2. Deutsches Theater – „Vertikale Wale“ / 3. Yorck-Kinos – “Like A Complete Unknown”

1. Staatsballett Berlin - Alles nur geträumt

"Ein Sommernachtstraum", Staatsballett Berlin © Yan Revazov

Der „Sommernachtstraum“ von William Shakespeare ist jahreszeitlich gut gesetzt vom Intendanten des Staatsballetts Christian Spuck. Die Premiere kam bei Publikum und Medien gut an.

Zu lesen ist, dass für die Inszenierung der schwedische Choreograph Mats Ek Pate gestanden habe, dass Referenzen aus der Popkultur mit Reverenzen ans klassische Ballett gemischt würden, dass Nijinskys Avantgardewerk " L' Après-midi d' un faune" aus dem Jahr 1912 durch die Choreographie geistere und dass es schlussendlich auch eine atemberaubende Girls-and-Boys-Line gäbe. Die kennen wir aus Berlin ansonsten eigentlich als Kickline aus dem Friedrichstadtpalast.

Choreograph Edward Clug erzählt die Geschichte um die Hochzeit von Theseus und Hippolyta, um Oberon und Titania, um die Verwirrung der beiden Paare Helena und Demetrius sowie Lysander und Hermia mit Vater Egeus so, wie sie Shakespeare um das Jahr 1600 dramatisch vorgegeben hat. Aber er erzählt sie eben aus dem Heute – mit Surfbrett und Strand und vielen inszenatorisch-fantasievollen Einfällen. Hier können sich die Solist*innen des Staatsballetts bei der Rollengestaltung auch von ihrer schauspielerischen Seite zeigen. Die Komposition zu all dem hat Miklo Lazar geschaffen. Sie ist rhythmisch stark und dadurch überzeugend, dass sie zum Tanzen nahezu auffordert.

Auch die fünf Handwerker aus der literarischen Vorlage kommen zum Einsatz. In eher pantomimischen Szenen wird ihr Tun durch die eingeblendeten Texte aus dem Drama verständlich gemacht.

Um der Choreographie willen müsse man diesen "Sommernachtstraum" nicht sehen, war in Frankfurt am Main zu lesen. Ich würde dagegenhalten: Fans von Altmeister George Balanchine und also neoklassischen Bewegungsarrangements werden ihre Freude an der Choreographie von Edward Clug haben. Wer allerdings gern romantische Elfen und die bekannte Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy erleben möchte, könnte enttäuscht sein. Aber dafür bietet die Ausstattung (Bühne: Marko Japalj und Kostüme: Leo Kulaš) Atemberaubendes, das man ansonsten nur aus Varietés und Shows kennt. Selbst eine riesige Gottesanbeterin tritt auf – und alle von Shakespeare vorgegebenen skurrilen Elfen-Wesen selbstverständlich auch.

Mich beschlich während der Aufführung der wohl nicht ganz abwegige Gedanke, ob der Sommernachtstraum vielleicht auch deshalb ausgewählt wurde, um Leroy Mokgatle die Möglichkeit zu geben, als Puck durch diese Inszenierung zu führen. Die Interpretation dieser Figur ist wirklich umwerfend: tänzerisch brillant, hoch-expressiv, bezwingend erotisch. Allein um das zu erleben, würde sich ein Besuch des Balletts allemal lohnen.

Dieser „Sommernachtstraum“ ist ein Abend voller überraschender Einfälle, eine große Tanz-Show, unterhaltsam und fantasievoll.

Staatsballett Berlin in der Deutschen Oper, 21. und 28. Mai. Hier geht’s zu den Karten.


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2. Deutsches Theater - Wunschträume und andere

"Vertikale Wale" in der Box des Deutschen Theaters © Jasmin Schuller

Stellen Sie sich folgendes Setting vor: Vier erwachsene Menschen, eine Frau und drei Männer, gehen zusammen ins Bett. Nein, nicht miteinander. Die Inszenierung in der Regie von Milena Michalek hat wenig Romantisches, Erotisches oder gar Sexuelles an sich, obwohl eingangs Dating-Apps, Pornografie und Masturbation thematisiert werden. Aber es geht eigentlich um etwas ganz anderes, nicht weniger Wichtiges: um unseren Schlaf und vor allem, was uns davor abhält zu schlafen. Wer kennt das nicht?

Im Gespräch äußert sich die Regisseurin zur Frage, woher ihr die Idee für ein Stück über den Schlaf kam: „Aus einer Sehnsucht nach einem Friedensort, und danach, an etwas zu arbeiten, was mit Beruhigung zu tun hat in einer Zeit, in der man das Gefühl hat, alles steht auf dunkelorange-rot.“ Das Stück ist also hochaktuell.

Entstanden ist eine einfühlsame und tiefgründige Auseinandersetzung mit diesem Thema. Unsere oft unbewussten Sehnsüchte und Alpträume, Ängste und Sorgen gelangen so auf die Bühne. Da sind belastende Themen und Situationen aus dem Arbeitsumfeld, Missverständliches aus Partnerschaft und Familie. So die Aufforderung von Eltern an Kinder:
Ihr müsst jetzt schlafen. Warum? Weil Schlafenszeit ist! Da ist die Sorge darum, etwas am kommenden Tag nicht zu schaffen, diese unendliche To-do-Liste, die uns genau um den Schlaf bringt, den wir, um fit zu sein, doch so dringend bräuchten. Da gibt es auch die Angst vor dem Finanzamt, die im Dunkeln so gewaltig anwächst, dass man glaubt, ins Gefängnis zu müssen. Aber, ach wie schön: da gibt es auch Gespräche über Themen, die eben nur nachts stattfinden können – und und und…
Die in diesem Fall schon fast intime Nähe in der kleinen Box des DT zwischen dem Publikum und den Darstellern in ihren Schlafgewändern verführt zum eignen Mittun – in Gedanken: Wie geht es mir, was hält mich wach?

Julischka Eichel, Alexej Lochmann, Janek Maudrich und Cenar Sunar überzeugen in immer neuen Rollen durch ihre mitunter komische und doch auch authentische Darstellung, die in immer neuen Situationen das Schlafen, Einschlafen oder Nichtschlafen thematisiert. Dieser Abend, sowohl heiter als auch nachdenklich stimmend, kommt beim Publikum auch deshalb so gut an, weil man mit einem Mal spürt: Mit diesem Problem bin ich nun wirklich nicht allein. Vieles von dem, was uns ungewollt an Gedanken und Gefühlen des Nachts so durch den Kopf rast, wird an- und ausgesprochen und damit entdämonisiert. Das ist beruhigend und könnte das Eigenleben Ihres Unterbewusstseins bei der nächsten Nicht-Schlaf-Attacke vielleicht sogar ein bisschen ausbremsen.

Den Titel hat das Stück übrigens deshalb bekommen, weil einige Wal-Arten offensichtlich in der Vertikalen schlafen. Wussten Sie das?

Deutsches Theater Box, 25. März, 9. und 10. April. Hier geht’s zu den Karten.


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3. Yorck-Kinos - Der Alb-Traum vom Ruhm

Timothée Chalamet als Bob Dylan
Timothée Chalamet als Bob Dylan

Wie schön, dass es Film-Theater gibt. Und die der Yorck-Gruppe werben mit dem Slogan: „Im richtigen Kino sitzen Sie nie im falschen Film.“ Wie wahr! Und bestimmt wissen Sie, dass die Yorck-Kinos in Berlin Kooperationspartner des Kulturvolks sind? Das heißt, Mitglieder können zu ermäßigtem Eintritt die Film-Vorführungen besuchen. So war ich im Film-Theater am Friedrichshain und sah “Like A Complete Unknown”.

Das ist nicht nur irgendein weiteres beeindruckendes Biopic. Nein, es ist ein ganz wunderbarer Film von Regisseur
James Mangold über einen wirklich außergewöhnlichen Künstler unserer Zeit: Bob Dylan. Er zeigt nicht etwa das gesamte Leben des heute 83-jährigen, sondern beschränkt sich auf die ersten Jahre der 1960er: von seiner Ankunft in New York 1961 bis zu seinem Album „High 61 Revisted“ im Jahr 1965. Schluss und Höhepunkt des Films ist sein Auftritt beim Newport Folk Festival in eben jenem Jahr, bei dem er einen veritablen Skandal verursacht hat, indem er mit seiner neuen, elektronisch verstärkten Musik diesem traditionellen Festival und der Erwartungshaltung des Publikums und der Veranstalter – ganz bewusst? – einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.

In dieser Zeit, in der der Film spielt, wird aus Robert Allen Zimmerman der Bob Dylan, den wir heute zu kennen meinen. Der Titel des Films ist aber nicht nur eine Zeile aus seinem Song „Like a Rolling Stone“ aus dem oben genannten Album, sondern beschreibt das Thema des Films: Wer ist Bob Dylan? Er verschweigt seinen wechselnden Partnerinnen seine Herkunft. Auch der Film erhellt sie nicht.

Timothée Chalamet spielt diesen jungen Bob Dylan. und ich denke, so könnte er wirklich gewesen sein. Sein Spiel setzt alle mir bekannten Fotos und Szenen mit Bob Dylan in Bewegung und damit zusammen. Allein das ist bemerkenswert. Schier unglaublich ist, dass er auch die Lieder von Bob Dylan selbst singt.

 

Im Film lernen wir die Menschen kennen, mit denen er diese Phase seines Lebens verbracht hat. An erster Stelle Pete Seeger, unerhört sympathisch gespielt von Edward Norton. Dann Joan Baez, sehr schön und sehr schön zwiespältig von Monica Barbaro interpretiert. Auch diese beiden singen die Songs der Künstler, die sie darstellen, selbst! Der Film ist ein Ritt durch die Musik und durch die Konflikte dieser Zeit. Bob Dylan wird in der Zeit der Rassenunruhen, der Kuba-Krise, der Ermordung von John F. Kennedy und Malcolm X erwachsen. Das Erlebte wird ihn und seine Kunst prägen. Während Seeger und Baez sich treu bleiben, heißt die Konstante bei Dylan: immer weiter! Ein rollender Stein setzt kein Moos an. „Like a complete unknown, like a roling stone“ heißt die Textzeile vollständig.

Bob Dylan hat eine schier unglaubliche Karriere hinter sich, hat wohl 600 Songs komponiert und verfasst, ist auch als bildender Künstler tätig und hat Ehrungen in einer solchen Anzahl und Vielfalt erhalten, dass mir hier nur die Möglichkeit zur Verfügung steht, auf den Literatur-Nobelpreis hinzuweisen, den er 2016 für seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Songtradition“ als erster Musiker bekommen hat.

Für alle, die gern in dieser Zeit gelebt haben und für alle, die für mehr als zwei Stunden in diese Zeit eintauchen möchten, ist der Film ein Muss. Für alle, die seine Musik mögen, sowieso. Der Film ist 140 Minuten lang. Keine Minute zu lang und keine Minute langweilig.

In verschiedenen Kinos der Yorck-Kinogruppe. Hier geht’s zu den Karten.

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