HEUTE: 1. „Ein Faun unter Menschen“ – Der Tanzstar Alexander Swain / 2. „Lebensglück“ ‑ Tipp für Theaterberufe
„Phänomenal“, „genial“, „Höhepunkt der neuen Tanzkunst“ rühmte die europäische Kritik. Und feierte Alexander Freiherr von Swaine als einen Tänzer, der wie noch keiner vor ihm das Klassische und das Expressive in eins brachte. Die erstaunte Fachwelt jubelte, wie das hingerissene Publikum die „tanzende Feuerseele“ feierte. Als „Halbgott und Teufel“.
Der Freiherr galt als „Bester seiner Zeit“. Doch heute – wir halten verwundert inne ‑ ist der einstige deutsche Weltklassetänzer (1905-1990) seltsamerweise nahezu unbekannt. Zwei Herren vom Fach und Enthusiasten dieses bedeutenden Künstlertums, der Tanzwissenschaftler Ralf Stabel sowie der Filmemacher und Grimme-Preisträger Felix von Boehm, haben sich auf akribische Spurensuche begeben. Um endlich das Achterbahn-Leben dieses weltbürgerlichen Freiherrn in dem pointiert kommentierten Porträtfilm „Ein Faun unter Menschen“ lebendig werden zu lassen.
Alexander von Swaine, alter Adel aus steinreichem Haus in München, durchlief die berühmte, klassisch-russische Schule der kaiserlichen Ballerina Eugenia Eduardowa, die er später, das nebenbei, als „schauderhaft“ empfand. Eugenia wiederum nervte zwar sein sagen wir Modern Style, dennoch begriff sie sein Genie und küsste ihn nach seinem ersten öffentlichen Auftritt an ihrem Institut in Berlin-Schöneberg anno 1929.
Sofort war klar: Ein Stern geht auf! Swaine wurde als „spektakuläre Hoffnung für den Tanz in der Reichshauptstadt“ schlagartig bekannt. Zwei Jahre später, 1931, startete der Glückselige seine Solokarriere im Beethoven-Saal der Berliner Philharmonie. Und prompt verglich man ihn mit Stars wie Harald Kreutzberg oder Vaslav Nijinski.
Swaine avancierte mit „bester klassischer Schulung“ und zugleich „souveränem Einsatz vielfältig freier Formen“ zum Superstar der Berliner Bühnen. Für nicht wenige war er gar die Nummer eins seiner Zeit. Max Reinhardt engagierte ihn, zahlreiche Filmproduktionen sorgten für große Auftritte nebst hohen Gagen.
Doch Swaine, ehrgeizig, kreativ, besessen und als vermögender Erbe in Geldsachen fahrlässig unbekümmert, sah sich vor allem als Alleinherrscher der Bühne. Er nutzte technische Perfektion und einzigartige Ausdruckskraft („lebendige Physiognomie, vornehm, kraftvoll, zugleich fragil“ schrieben Kritiker) und er verließ sich auf seine privilegierte Situation (Inhaftierung als Homosexueller, „Begnadigung“ durch Goebbels) für den konzentrierten Auf- und Ausbau einer selbstbestimmten Solisten-Karriere. Mit eigenen Programmen gastierte der hochmögende Exzentriker und begeisternde Avantgardist in Europas Tanzmetropolen, reiste als Weltberühmtheit um die halbe Welt – freilich zwangsweise auch als NS-Aushängeschild. Bis 1939. Dann kam der Krieg, der stoppte alles.
Es folgten Internierung im damals niederländischen Indonesien, ein Haftlager in Indien, 1945 Rückkehr nach Heidelberg, ein Zwischenspiel Kammertanz in Westdeutschland zusammen mit Lisa Czobel. Mit ihr wieder Tourneen, auch nach Fernost. Dann der Sprung nach Mexiko, wo er bis zuletzt als dürftig honorierter Lehrer einer Ballettschule wirkte. Eine wirkliche Heimat aber fand Swaine – auch im Privaten – letztlich nirgendwo. Er blieb ein Ruheloser. Ein ewig Flüchtender?
Derlei ins Psychologische ragende Fragen lassen Stabel und Boehm klugerweise offen in ihrer Dokumentation der Swainschen Lebenslinien. Sie erzählen mit Empathie, dabei aber ganz sachlich und gerade dadurch so spannend ein abenteuerliches Künstlerdasein. Wobei die Rechercheure (beide geboren nach 1960) das Glück hatten, für Interviews Kenner oder zeitweilige Weggefährten Swaines aufzuspüren.
„Ein Faun unter Menschen“ (Lupa Film) zeigt ein Schicksal, eingebettet in die Zeitläufte. Zugleich wird – gut verständlich nicht nur für Leute vom Fach ‑ ein Stück deutsche Tanz- und Kunstgeschichte in extrem gegensätzlichen Zeiten und Welten beleuchtet. In 40 berührenden Minuten fügen die Autoren dem doch unerschöpflichen Thema „Deutschland, deine Künstler“ eine schillernde Facette hinzu – nicht zuletzt auch als ein Dokument gegen das Vergessen.
Der TV-Sendetermin steht noch aus. Jederzeit abrufbar online über vimeo. Läuft aktuell in der Ausstellung „Der absolute Tanz. TänzerInnen der Weimarer Republik“, Georg-Kolbe-Museum Berlin. Geplant: 25. April bis 29. August (Bitte die coronabedingten Öffnungszeiten beachten). Dazu: Ralf Stabel, „Alexander von Swaine. Tanzende Feuerseele“, Henschel Verlag, Berlin 2015
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<p class="x_MsoNormal">Mit einem vernünftigen Schulabschluss in der Hand (oder schon länger im Spind) sowie einer ordentlichen Portion Theaterblut im Leib sollten junge Leute ans Theater gehen. Es gibt schließlich eine Zeit nach Corona.<br /><br />Gemeint ist dabei nicht der Trip vor Publikum auf der Bühne. Gemeint sind vielmehr die Auftritte in den labyrinthischen Bereichen dahinter, darunter, darüber und nebenan. Dort nämlich gibt es in technischen, organisatorischen, handwerklich-künstlerischen Bereichen oder im IT-Betrieb eine Vielzahl spannender und herausfordernder Ausbildungsplätze; darunter natürlich die klassischen (Schneiderei oder Technik), aber auch die seltenen, die so ganz besonderen Lehrberufe. <br /><br />Wie man sich da detailliert schlau macht? Die ehrwürdige Branchenorganisation Deutscher Bühnenverein hat in Zusammenarbeit mit der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft eine entsprechende Webseite eingerichtet. Da sind mehr als ein halbes Hundert Berufe für Theater und Orchester gelistet, darunter viele neue (aus dem High-Tech-Bereich), die sich erst in den letzten Jahren oder Monaten (Streaming!) etabliert haben.<br /><br />Die gesammelten Berufsbilder, ergänzt durch umfangreiches Adressenmaterial sowie ganz praktische Tipps für Bewerbungen, sind zudem analog veröffentlicht in der Broschüre „Berufe am Theater“. Sie kann kostenlos bestellt werden unter <a id="LPlnk667602" href="mailto:material@buehnenverein.de" target="_blank" rel="noopener noreferrer" data-auth="NotApplicable" data-linkindex="0">material@buehnenverein.de</a>.<br /><br />An den deutschen öffentlichem Theatern und Orchestern arbeiten gegenwärtig rund 40.000 Festangestellte außerhalb der künstlerischen Bereiche. Und aus eigener, jahrzehntelanger Anschauung können wir sagen: Nicht wenige fanden dort ihr Lebensglück! </p>
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