Futschi statt Gucci
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Edith Schröder hat ein krisenfestes Einkommen: Nicht umsonst genießt die trinkfeste Lebenskünstlerin einen schon legendären Ruf als Harz-VIII-Empfängerin.
Ein Schreiben der Hausverwaltung sorgt allerdings auch bei Edith für Untergangsstimmung. Ihre 49-Quadratmeter-Behausung soll in eine Eigentumswohnung umgewandelt werden. Edith genießt Vorkaufsrecht, für eine Million Euro. Woher nehmen, wenn nicht stehlen? (...)
„Tatort Neukölln“ ermöglicht wieder jede Menge charmante bis zotige Milljöh-Schilderung. Kriminalität durch berüchtigte Clans, mit denen sich Gesetzeshüter und Anwohner im richtigen Leben herumschlagen, ist hier kein Thema: Lieber kämpft die Company unter der bewährten Regie von Bernd Mottl mit Gags gegen Gentrifizierung - ein Fremdwort, das Edith wahrscheinlich gar nicht kennt, geschweige denn aussprechen kann. Es wird wie immer munter gesungen und getanzt, zu umgetexteten Hits von „Freak Out“ bis zum Kommissar, der im Krimi umgeht. So mancher Disco-Kracher ist leider bereits ein wenig ausgelutscht. Meisterhaft dagegen Ediths Autofahrt mit Gewissensbissen zur Musik aus Hitchcocks „Psycho“.
Überhaupt die Medien. In Zeiten von Social Media und Fake News wird aus Edith, der Kriminellen, eine Volksheldin. Der Verleihung der Heinz-Buschkowski-Medaille folgt die Nominierung an die Spitze des Neuköllner Bezirksamts. Zwischendurch muss Edith von ihren Freundinnen vom hohen Ross geholt werden. Bis sie schließlich als Regierende Bürgermeisterin nominiert ist und sich, statt ins Rote Rathaus zu ziehen, in ihrer Neuköllner Bruchbude ein Homeoffice einrichtet: „Ick fahr doch nicht jeden Tag mit der U8 nach Mitte!“
Kulturvolk-Blog, Uwe Sauerwein, 30. August 2021
Regie | Bernd Mottl |
Filmeinspieler | Jörn Hartmann |
Mit | Ades Zabel Biggy van Blond Bob Schneider Nicolai Tegeler und Roman Shamov |